"Dunkelziffer Unbekannt" erschienen: Seite 4 von 6

Interview mit dem AStA der ASFH

Seit zehn Jahren befindet sich die Alice-Salomon-Fachhochschule am gleichnamigen Platz in der Hellen Mitte. Der Weg zur U-Bahn beträgt keine fünfzig Meter und so ist es nicht weiter verwunderlich, dass es bisher wenig Austausch zwischen den Studierenden, die meist nicht im Bezirk wohnen, und ihrer Umgebung gekommen ist. Umso heftiger waren die Reaktionen als im Dezember von der Fachhochschule aus die rechte Normalität der Warenwelt auf dem wöchentlichen Markt auf dem Platz durch ein Transparent thematisiert wurde. Vertreter_innen der Referate Antirassismus/-faschismus und Hochschulpolitik des Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) erläuterten uns die Hintergründe.

Was stand eigentlich auf dem Transparent und warum wurde es aufgehängt?

Auf dem Banner stand eigentlich nichts anderes als „Augen auf beim Markteinkauf – Rechtsextreme in Helle Mitte stoppen!“. Was wir damit bezwecken wollten, sagt eigentlich schon die Aufschrift. Nämlich nicht die Augen vor rechten Aktivitäten in der Helle Mitte zu verschließen. Bis zur Konzessionsänderung des Bezirksamtes, die den Vertrieb von Waren mit rechtsextremen /-radikalen Aufschriften unterbindet, verkaufte zum Beispiel der Stand „Märkischer Reiterhof“ die für Rechtsextremisten konzipierte Modemarke „Thor Steinar“. Doch auch nach der Konzessionsänderung gab und gibt es noch genug andere Verkaufsstellen auf dem Markt und in den Einkaufszentren der Hellen Mitte, die rechte Artikel anbieten. So gab es an unterschiedlichen Ständen zum Beispiel Aufnäher des in den USA verbotenen, rassistischen „Ku Klux Klan“ und Aufnäher der verbotenen Neonazi-Rockband „Landser“ zu erwerben. Andere Stände boten Artikel an, die in der rechtsextremen Szene zumindest Anklang finden, jedoch nicht nur dieser zuzuordnen sind wie Militariartikel, (antike) Waffen, der „germanische“ Thorshammer, die amerikanische Südstaatenflagge, Aufnäher mit der Aufschrift „Ich bin Stolz ein Deutscher zu sein“, mit der schwarz-weiß-roten Flagge des Deutschen Reiches und ähnliches.Dies alles muss vor dem Hintergrund gesehen werden, dass bereits vor anderthalb Jahren Student_innen und Verwaltungsmitarbeiter_innen berichteten, dass sie sich in der Hellen Mitte und auf dem Weg zur ASFH nicht mehr sicher fühlen, da sie anscheinend nicht in das rechte Weltbild passen. Dass diese Angst nicht unbegründet ist, zeigt unter anderem ja auch eure Chronik, die einige Aktivitäten der extrem Rechten unter anderem in der Hellen Mitte auflistet.

Wie waren die Reaktionen inner- und außerhalb der Hochschule?

Die vergleichsweise weiche Formulierung „Augen auf beim Markteinkauf - Rechtsextreme in Helle Mitte stoppen!“ wählten wir natürlich nicht ohne Grund. Unsere Intention war und ist es, dass Jede_r der/die in der Hellen Mitte verkehrt und eventuell auch dort einkauft die Augen nicht vor rechten Aktivitäten schließen soll. Zu erst ernteten wir jedoch etwas ganz anderes. Als wir das Banner zum ersten Mal anbrachten, wurden wir sofort von einigen Markthändler_innen auf's Wüsteste beschimpft und mit Gewalt bedroht. Die Händler_innen alarmierten die Polizei, beschwerten sich über das Banner und gaben an, von uns beschimpft und bedroht worden zu sein, was nicht anderes als eine Lüge ist.Die Polizei bat daraufhin das Rektorat das Banner zu entfernen. Dieses stellte sich jedoch mit dem Verweis auf die Meinungsfreiheit hinter uns und ließ es dort, wo es sich befand. Am nächsten Tag war das Banner jedoch entfernt worden. Wie es heißt, auf Anweisung der Polizei. Eine schriftliche Begründung der Polizei, warum es entfernt werden musste, kam nie. Wir hängten das Banner natürlich umgehend wieder auf, woraufhin es wieder entfernt wurde. Die Rektorin stand plötzlich nicht mehr hinter uns, da sie nun der Auffassung war und ist, dass durch das Banner eine Gefahr für die ASFH bestehe. Wahrscheinlich befürchtet sie kaputte Fensterscheiben. Weiterhin geht sie davon aus, dass die Aufschrift des Banners den Rechtsfrieden stört. Binnen einer Woche wurde das Banner immer wieder von der Hochschulleitung entfernt und im Gegenzug von Student_innen wieder angebracht. Zwischenzeitig schaltete sich das LKA, also der Staatsschutz, ein und wollte wissen, was in der Hellen Mitte so vor sich geht und Standbetreiber führten ein Gespräch mit der Rektorin der ASFH, in dem sie angaben, dass sich die Türken, Inder und Araber, die ebenfalls auf dem Markt vor der ASFH Stände betreiben, von dem Banner angegriffen fühlen. Diese absurde Behauptung wird umso lächerlicher, wenn mensch bedenkt, dass die Standbetreiber, die das Gespräch mit der Rektorin führten ausnahmslos Deutsche waren. Wir führten noch zwei Gespräche mit der Rektorin, die jedoch damit endeten, dass wir uns nun im Rechtsstreit mit ihr befinden.Nach dem eine Zeit lang Ruhe herrschte , hängten wir das Banner wieder auf. Das Rektorat entfernte es wieder, händigt es uns aber nicht mehr aus, was nicht rechtens ist. Aber das ist ein anderes Thema. Um die rechtliche Seite des Banners kümmern sich die Anwälte.

Sind die monierten Waren aus dem Angebot verschwunden? Was war ursächlich dafür?

Nach unseren Erkenntnissen, sind einige Stände, die Waren unter anderem für das rechte Klientel anboten, verschwunden. Lediglich ein Buchhändler, der die geschichtsrelativierende Heftserie „Der Landser“ verkaufte und ein Stand, der Thorshämmer anbietet, befinden sich noch unter den Verkaufsständen. Ausschlaggebend dafür war wohl die erneute Konzessionsänderung, nach der nun auch keine Waffen oder andere Waren für rechte Kunden angeboten werden dürfen.

Wie Ihr bereits erwähnt habt, hat das Bezirksamt am 31. Oktober 2007 alle Marktbetreiber_innen aufgefordet ihre Verträge dahingehend zu ändern, dass keine der Verkauf von Waren mit rechtsextremen /-radikalen Aufschriften zu unterbleiben hat. War öffentlicher Druck überhaupt notwendig?

Wie oben beschrieben gab und gibt es nach dem 31. Oktober 2007 noch eine ganze Reihe von Verkaufsstellen, die rechte Waren anboten und anbieten. Ein Teil von ihnen ist nach unserer Banneraktion dann tatsächlich auch verschwunden. Insofern denken wir schon, dass der öffentliche Druck nötig war.Dass der allerdings noch lange nicht groß genug ist, zeigen die vielen anderen Möglichkeiten für Rechte, ihren „Lifestyle“ auszuleben. Der „Boombastic“-Shop im Marktplatzcenter Helle Mitte verkauft zum Beispiel „Thor Steiner“, die Tabakbörse im gleichen Center verkauft die geschichtsrelativierende Heftserie „Der Landser“, der „Doorbreaker“-Laden im, der ASFH gegenüberliegenden, Einkaufszentrum handelt mit der Mode Marke „Eric and Sons“, einem „Rechtsableger“ von „Thor Steinar“ und die Hooliganmarke „Sport Frei“, die auf den Bremer Hooligan-Anführer und Neonazikader Henrik Ostendorf angemeldet ist. Auf den Volksfesten in der Hellen Mitte tummelt sich bisweilen auch rechte Kundschaft. Dies sind Felder bei denen mensch ansetzen kann. Die Infrastruktur der Rechten muss zumindest geschwächt werden. Wir müssen eine alternative Gegenkultur aufbauen und den Nazis keinen Raum zur Entfaltung bieten. Und das nicht nur in der Hellen Mitten in Hellersdorf, sondern überall.Der „Bannerstreit“ zwischen Studierenden und der Rektorin übte allerdings auch Druck auf sie aus. Die Hochschulleitung ist nun genötigt, sich mit ihrer unmittelbaren Umgebung auseinander zusetzen. Um nachhaltige Arbeit gegen Rechts zu leisten, reicht es nicht aus, dass der AStA ein Banner an die Hochschule anbringt. Der AStA und in dieser Thematik besonders das Antirassismus/Antifaschismusreferat, leistet viel. Jedoch stoßen wir, da wir alle noch Student_innen sind, an unsere Grenzen. Die Hochschule selbst, muss sich stärker im Bezirk engagieren, sich mit lokalen Akteuren vernetzen und gemeinsam eine Gegenkultur zu den extrem Rechten aufbauen.Viel zu lang hat sich die ASFH über ihren Standort beschwert. Eine Hochschule, die durch ihren Schwerpunkt Soziale Arbeit bundesweit bekannt ist, muss sich auch ihrer gesellschaftlichen Verantwortung an ihrem Standort bewusst sein.

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