"Dunkelziffer Unbekannt" erschienen: Seite 2 von 6

Einleitung

Für das Jahr 2007 haben wir - nunmehr die Projektwerkstatt „WuT“ und das Antifaschistische Bündnis gemeinsam - Aktivitäten mit rechtsextremen und neonazistischen Hintergrund in Marzahn-Hellersdorf dokumentiert. Diese Dokumentation erachten wir nach wie vor für notwendig, weiteres über vergangene Jahre und das derzeitige sind auf unseren Homepages zu finden. Solche Vorkommnisse dürfen nicht als marginale Erscheinungen abgetan werden. Wir wollen ein kritisches Bewusstsein fördern und gesellschaftliches Engagement gegen von der Mehrheit akzeptierte wie nicht akzeptierte Formen der Ungleichbehandlung von Menschen fordern.

Was meinen wir eigentlich mit den von uns betrachteten Einordnungen? Rechter Ideologie liegt die Annahme zugrunde, Menschen und Menschengruppen seien in bestimmten Kategorien verschieden und so auf bestimmte Merkmale, Bedürfnisse und Fähigkeiten determinierbar. Darauf begründen sich etwa Ideen über geschlechtliche Zuschreibungen, nationalistische Bewegungen oder der krasse biologistische Rassismus, der es in Deutschland bereits zum Paradigma der Staatspolitik brachte. Als Gegenstand unserer Dokumentation verstehen wir diesen Teil rechten Denkens, der die gesellschaftliche Integrität von Individuen, deren Würde und körperliche Unversehrtheit explizit negiert oder Bezug nimmt auf die nationalsozialistische Ideologie, in der verschiedene rechte Ideologeme zu einem geschlossenen Weltbild, das vom Antisemitismus getrieben wird, kulminieren.

So mussten wir im Jahr 2007 siebenunddreißig Propagandaaktionen (davon zehn in aller Öffentlichkeit durchgeführte), drei Sachbeschädigungen, elf Bedrohungen und neun Angriffe gegen Menschen zur Kenntnis nehmen. Diese Verteilung scheint uns - soweit wir einen Überblick haben - im Berliner Trend zu liegen. Die verschiedenen Bevölkerungs- und Infrastrukturdichten erklären ebenso wie die sich weiter homogenisierenden sozialen Milieus den quantitativen Unterschied virulenter Erscheinungen zwischen Großsiedlungen und Siedlungsgebieten. Und wir sind uns sehr sicher, dass es sich bei dem Dokumentierten nur um einen Ausschnitt handelt. Wie die Liste zeigt, haben wir von vielem durch Augenzeug_innen Kenntnis erhalten – und selbstverständlich auf Validität geprüft. Doch in einem Raum mit einer Viertelmillionen Einwohner_innen ist eine vollständige Erfassung kaum möglich. Für eine umfassendere Darstellung sind wir auf Hinweise angewiesen. Erreichbar sind wir unter abmatriseup.net und wutatsuburbanhell.org.

Die Zahl der Propagandaaktivitäten zeigt, dass sowohl die NPD als einzige rechtsextreme Partei, die außerhalb der Wahlkampfzeit in der Öffentlichkeit präsent war, wie auch parteiunabhängige Neonazis in der Lage sind sich mit eigenen Aktionen im Bezirk Marzahn-Hellersdorf an bundesweiten Kampagnen der Neonaziszene zu beteiligen.

In weiteren Artikeln wollen wir einen Überblick über Ereignisse und Diskurse, die im Jahr 2007 unsere Aufmerksamkeit weckten, geben.

Das rechtsextreme kulturelle Milieu wird beispielhaft in einem Interview mit Vertreter_innen des Allgemeinen Studierendenausschuss der Alice-Salomon-Fachhochschule über die Initiative Studierender gegen den Verkauf „rechter Waren“ vor der Hochschule thematisiert.

Ein Artikel des Bündnisses „Kein Vergessen“ gibt eine Übersicht der Diskussion um seine Forderung Straßen, die 1938 umbenannt wurden um „jüdische Namen auszumerzen“, nach ihren früheren Namensgebern zu benennen.

Den in der Öffentlichkeit untergegangenen Skandal um die Praxis des Sozialamtes Menschen ohne deutschen Pass in das faktische Ausreisezentrum Berlins in der Spandauer Motardstraße einzuweisen, versucht ein Text der Gruppe „Bündnis gegen Lager“ nachzuzeichnen. Bis heute gehen die politisch Verantwortlichen kritischen Nachfragen dazu aus dem Weg und lassen den Vorgang in Vergessenheit geraten.

Zur Arbeit der NPD-Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung verweisen wir an dieser Stelle auf das Webprojekt „Nazis in den Parlamenten“ (http://www.nip-berlin.de). Zur Erinnerung: Die NPD konnte durch 6.384 Wähler_innen (6,4% der Stimmen, berlinweit waren es 1,8%) mit drei Mandatsträgern in die BVV einziehen.Unser Dank gilt allen, die an der Erarbeitung und Erstellung dieser Broschüre beteiligt waren.

Solidarische Grüße gehen raus an alle, die den nazistischen Wahnsinn nicht hinnehmen und an der Emanzipation der Menschheit basteln.

Die Redaktion

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