Am 17.11.2014 veranstaltet die Bürgerbewegung Marzahn erneut einen Aufmarsch gegen die in Marzahn geplante Unterkunft für Geflüchtete in Containerbauweise. Bereits eine halbe Stunde vor der angekündigten Treffzeit sind einige Dutzend Teilnehmer_innen vor Ort. Es wird von Flaschenwürfen auf Gegendemonstrant_innen durch ankommende Rassist_innen berichtet. Bis 19 Uhr versammeln sich an der südöstlichen Straßenecke an der Landsberger Allee Ecke Blumberger Damm etwa 400 Menschen, überwiegend Männer, die im Schnitt Mitte Dreißig sind. Eine halbe Stunde später beginnt die Veranstaltung mit der Rede eines unidentifizierten Mannes, der die "sofortige Absetzung aller Volksschädlinge in Politik und Wirtschaft und eine Verurteilung (...) von einem von uns gewählten Volksgericht" (sic) sowie eine "Enteignung (...) wegen der jahrzehntelangen volksvernichtenden Politik für die sie betrieben haben" (sic) fordert. Der Rede folgen "Wir sind das Volk!"- und "Ahu - Ahu - Ahu"-Rufe aus dem Mob.
Bereits als der Aufmarsch gegen 19 Uhr 45 Aufstellung nimmt, werden Journalist_innen zunächst verbal attackiert: "Verpisst Euch, Ihr Wichser!", die Parole "Deutsche Presse auf die Fresse!" wird wiederholt gerufen. Unmittelbar nach dem Start wird ein Journalist von Christian Bentz, der wie gewohnt vermeintliche Gegner_innen abfotografiert, angegangen. Andere Journalist_innen beenden ihre Arbeit recht bald aus Sicherheitsbedenken. Andere berichten später, schon bei der Ankunft von einer Begleitungder Rassist_innen abgesehen zu haben. Neben Bentz sind an der Spitze einige Nazis des Netzwerks Nationaler Widerstand Berlin damit beschäftigt, unliebsame Menschen zu vertreiben und die Stimmung anzuheizen, darunter Björn Wild, David Gudra und Oliver Oeltze. Stephan Alex koordiniert offenbar die Anti-Antifa-Arbeit, Marcel Rockel die Spitze des Aufmarsches. Weitere bekannte Nazis sind Kai Schuster, Uwe Dreisch und Ronny Schrader. Dem Habitus nach, sind im Mob nicht nur viele Hooligans dabei, sondern werden auch aktiv als Ordner eingesetzt. Auffällig ist eine relativ hohe Anzahl von Menschen, die in einem an der Skinhead-Kultur angelehnten Look auftreten. Auch der Anmelder René Uttke heizt wieder atemlos und blechern den Mob mit Parolen an. Dazu nutzt er im Wechsel mit Patrick Krüger den Lautsprecherwagen. Am Fronttransparent und im hinteren Teil wird außerdem mithilfe von Megaphonen agitiert. Das Repertoire an Parolen hat sich im Vergleich zur Vorwoche erweitert: "Lügenpresse - auf die Fresse!", "Wir wollen keine Asylantenheime", "Wir wollen keine Asylantenschweine", "Das Volk will kein - Asylantenheim!", "Wir sagen Nein - zum Asylantenheim!", "Marzahn sagt Nein - zum Asylantenheim", "Deutschland will kein Asylantenheim", "Wir ham genug, vom Asylbetrug", "Unsere Heimat, unser Land - Nationaler Widerstand", "Bürger lasst das Glotzen sein! Auf die Straße, reiht euch in die Demo ein!", "Mitmarschieren - Solidarisieren!" und "Wir sind das Volk". Wiederholt wird in der Form eines Standiongesangs "Wir ham die Schnauze voll" skandiert. Im Zug werden jeweils vier Deutschland- und Berliner Landesfahnen, eine davon in den Händen Lars Niendorfs, getragen. Eine der Landes- und eine mit Bezirkswappen sind mit der Parole "Nein zum Heim" dekoriert. Ein Teilnehmer zeigt einen Schal mit der Aufschrift "Kategorie C / Gegen alle Regeln". Als Fronttransparent wird wieder das der berlinweiten Kampagne gegen Unterkünfte getragen: "Wache auf, Handeln statt Klagen!" Auch wieder dabei sind die Hochtransparente mit den Parolen "Wir haben die Schnauze voll / Nein zum Heim" und "Flüchtlinge aus aller Welt aber für die Arche kein Geld". Auf selbstgemalten Schildern von NPDlern heißt es: "Warum sprecht ihr immer von Nazis wenn ihr irgendwo freie und stolze Deutsche trefft" (sic) und "Heute sind wir tolerant morgen fremd im eigenen Land!" (sic). Hinten im Zug ist eines zu sehen, das eine Desorientierung der Trägerin nahelegt: "Wir sind keine Nazis"
Der Weg führt dieses Mal über den Blumberger Damm, die Bärensteinstraße, Allee der Kosmonauten, Blenheimstraße, Auersbergstraße, Pekrunstraße, Fichtelbergstraße, Poelchaustraße, Bruno-Baum-Straße und Marzahner Promenade zum Victor-Klemperer-Platz. Es reihen sich beständig Anwohner_innen in den Mob, der zeitweise etwa 600 Personen zählt. So auch ein Mann mit einer fünf auf drei Meter großen Deutschlandfahne, der unter Jubel empfangen wird. Als dem Mob in der Bruno-Baum-Straße vom Gelände eines Jugendclubs "Wir wollen keine Nazischweine!" entgegen gerufen wird, fliegt eine Flasche aus dem Mob, die eine Frau im Gesicht trifft. Ein Tatverdächtiger wird nicht festgesetzt. Obwohl Polizist_innen dem Geschehen unmittelbar beiwohnen, wird ein Polizeisprecher später gegenüber der Presse den Verdacht auf Gegendemonstrant_innen richten, die zu diesem Zeitpunkt weit entfernt und von der Polizei gekesselt sind. An einem Asia-Imbiss werden Teilnehmende des Aufmarsches vom Lautsprecherwagen aus gemaßregelt als sie dort Bier kaufen wollen: "So etwas brauchen wir hier nicht." Viele Männer trinken Bier aus Glasflaschen, es wird von Feuerwerksgebrauch aus den Reihen der Rassist_innen berichtet. Die Vermummung einiger Teilnehmer_innen wird durch die Polizei nicht sanktioniert. Bei einer Zwischenkundgebung auf dem Victor-Klemperer-Platz hält der NPD-Landsvorsitzende Sebastian Schmidtke eine Rede. Patrick Killat und ein Mann, der sich das Pseudonym "Recht auf Wahrheit" gegeben hat, tragen dort nationalistische und rassistische Hetze vor, und versuchen dabei die Musik als Form des Ausdrucks zu verwenden. Weiter geht es über die Raoul-Wallenberg-Straße und die Landsberger Allee zurück zum Ausgangspunkt. Bei der Abschlusskungdebung trägt das "Musiker"-Duo den Song "Für unsere Kinder"1 vor, Gesine Schrader bedient dazu das Playback in einem Combi, der als Lautsprecherwagen genutzt wird.
Eine Gegendemonstration mit etwa 500 Teilnehmer_innen zieht als Wanderkessel durch Marzahn, dabei kommt es immer wieder zu Provokationen, nicht nur durch die Polizei. Neben dem Zug wird der Hitlergruß gezeigt, in der Lea-Grundig-Straße werden Feuerwerkskörper auf die Demonstration geworfen. Darüber zeigen sich einzelne Polizist_innen erfreut. Die Polizei gibt an mit 300 Kräften im Einsatz gewesen zu sein. Der Mob der aggressiven Rassist_innen wird nur von wenigen, locker verteilten Bereitschaftspolizist_innen begleitet. An der Spitze sind diese zumindest zeitweise nicht einmal in Zugstärke präsent. Neben der im Eskalationsfall bei weitem nicht ausreichenden Begleitung des Aufmarsches gibt es in dessen Umgebung keinen Raumschutz. Bereits auf dem Weg zur Gegendemonstration werden Teilnehmer_innen in der Tram von etwa zehn Nazis bedroht.
- 1. Der Song, dessen Indizierung geprüft wird, enthält vulgär-antisemitische Zeilen; vgl. 19.1.2014