Infoveranstaltung zum Naziaufmarsch am 6. Dezember in Berlin-Südost

Datum: 
Samstag, 29. November 2008, 19:00 Uhr

Am 29. November wird es bei uns eine Infoveranstaltung zum jährlichen Naziaufmarsch am ersten Dezemberwochenende im Berliner Südosten geben. Dabei werden die Hintergründe beleuchtet - wer fordert da eigentlich warum ein "nationales Jugendzentrum"? - und Möglichkeiten des Protestes aufgezeigt. Später gibt es übrigens im La Casa dann noch ein Konzert mit den Kaput Krauts! Im folgenden dokumentieren wir den Aufruf der Kampagne gegen den Naziaufmarsch:

Aufruf zu den Aktionen gegen den Naziaufmarsch

Wenn das erste Lichtlein brennt... Antifa-Event statt Nazi-Advent!

Naziaufmarsch am 6. Dezember in Berlin? Sabotieren! Blockieren! Verhindern!

Alle Jahre wieder!

Da sind sie schon wieder! Seit 2003 marschieren pünktlich zur Weihnachtszeit hunderte Nazis durch Berlin, um für ein so genanntes „Nationales Jugendzentrum“ zu demonstrieren. Während die ersten Aufmärsche lediglich regionale Bedeutung für die hiesige Naziszene hatten, trotteten im letzten Jahr erstmalig mehr als 600 Neonazis aus dem gesamten Bundesgebiet durch die Straßen Berlins.

Für die geschwächte neonazistische Szene in Berlin ist der Aufmarsch im Dezember die einzige eigene und relevante Aktivität. Seit den Nachwuchs-Nazis 2002 ihr illegaler „Führerbunker“ im Berliner Südosten staatlicherseits abspenstig gemacht wurde und einschlägige Führungskader Hausverbote in lokalen Jugendeinrichtungen erhielten, versuchen sie der Kommunalpolitik mit Petitionen, Flugblattverteilungen, symbolischen Besetzungen abrissreifer Gebäude und jährlichen Aufmärschen ein Gebäude für Jungnazis abzutrotzen. Nach den Verboten der örtlichen Kameradschaften wurde es um die Neonazi-Kampagne jedoch ziemlich ruhig. Als dann 2006 der Aufmarsch fast scheiterte, nachdem hunderte Menschen stundenlang die Route blockierten, drohte der damalige NPD-Landesvorsitzende Eckart Bräuniger mit einer bundesweiten Nazi-Mobilisierung. Gesagt, getan, schob sich tatsächlich 2007 eine ganz gehörige Anzahl Nazis durch den Berliner Südosten. Und in diesem Jahr ist von einer Wiederholung des Spuks auszugehen!

Der schmale Grad – die Rolle der NPD

Ohne die tatkräftige Unterstützung der „Nationaldemokratischen Partei Deutschlands“ (NPD) und ihrer Jugendorganisation „Junge Nationaldemokraten“ (JN) wäre der Aufmarsch im vergangenen Jahr so kaum möglich gewesen: Der Großteil der teils prominenten Redner hatte ein Parteibuch vorzuweisen. Zugleich entstammt diese Rednerschaft mitunter dem parteiungebundenen Spektrum der „Freien Kameradschaften“, wie beispielsweise der aktuelle JN-Bundesvorsitzende Michael Schäfer. Auch der Anmelder Sebastian Schmidtke, der seine 'Karriere' bei der Kameradschaft „Märkischer Heimatschutz“ begann, ist heute Funktionär der Berliner JN und eine tragende Säule der „Freien Kräfte Berlin“, die als Veranstalter des Aufmarschs am 6. Dezember auftreten.

Im Zuge der Kameradschafts-Verbote im Jahr 2005 avancierte der mitgliederschwache Berliner NPD-Landesverband mitsamt JN für einen Teil der Kameradschafts-Nazis zum Auffangbecken. Außerdem pflegt die hiesige NPD ein recht entspanntes Verhältnis zu den „Autonomen Nationalisten Berlin“ (ANB). Dabei handelt es sich nicht um einen festen Personenzusammenschluss, sondern vielmehr um ein Label, das die Nazis nutzen, um Aktionen durchzuführen, die das Strafgesetzbuch missbilligt. Auch kann die Berliner NPD als eindeutig neonazistisch eingeschätzt werden. Eindeutige Bezüge zum historischen Nationalsozialismus sind keineswegs selten. Der neue Landesvorsitzende Jörg Hähnel fällt des Öfteren durch rassistische und geschichtsrevisionistische Hetzreden auf. Dass der bundesweit schwelende Dissens zwischen NPD und „Autonomen Nationalisten“ in Berlin kaum eine Rolle spielt, ist somit ganz klar personellen Überschneidungen beider Lager geschuldet. Dementsprechend formierte sich 2007 ein ganz beachtlicher „nationaler Schwarzer Block“, dem ein wenig begeisterter NPD-Bundesvorsitzender Udo Voigt voranstolperte. Das Beispiel zeigt, welche Gratwanderung Voigt macht, wenn er sich in Pamphleten und Reden gegen den Habitus der „Autonomen Nationalisten“ wendet und plötzlich auf einem Aufmarsch hunderte von diesen im Rücken hat.

Die NPD nutzt ihre Präsenz in einigen Kommunal-Parlamenten Berlins, um auf die Forderung nach einem „Nationalen Jugendzentrum“ aufmerksam zu machen. So brachten die gewählten Nazis einen Antrag für eben solches Jugendzentrum ein und versuchten, den Protest gegen die Naziaufmärsche zu diskreditieren. Schwerwiegender scheint jedoch die ständige Hetze gegen nicht-rechte und alternative Jugendeinrichtungen und Projekte, die den Nazis ein Dorn im Auge sind.

So geht das schon viele Jahre – Die Forderung nach einem „Nationalen Jugendzentrum“

Dass Neonazis „Nationale Jugendzentren“ fordern ist nichts Neues: Bereits Anfang der 1990er besetzten sie ein ganzes Haus im bis heute als ‚rechter‘ Stadtteil berüchtigten Berliner Weitlingkiez. Das thüringische Jena hat sein eigenes „Braunes Haus“. Erst Anfang des Jahres geriet der „Bunker 88“ im brandenburgischen Lübben in die Schlagzeilen, als er wegen eines Nazi-Konzertes gestürmt und anschließend geschlossen wurde.

Forderungen nach einem „Nationalen Jugendzentrum“ sind kleine Schritte, die der Erlangung der „kulturellen Hegemonie“ (nach Gramsci) dienen sollen. Wenn Neonazis nach „Freiräumen“ für die „deutsche Jugend“ schreien, so propagieren sie das Konzept der „national befreiten Zone“ und die NPD-Strategie des „Kampfes um die Straßen“: So sollen ganze Stadtteile und Regionen erobert werden, in denen Migrant_innen, Juden und Jüdinnen, Homosexuelle, behinderte Menschen, alternative beziehungsweise nicht-rechte Jugendliche und Linke nichts verloren haben. Wer nicht ins völkische Streichholzschachtel-Weltbild passt, muss Schikanen jeglicher Art über sich ergehen lassen und mitunter um sein Leben fürchten. Und das ist durchaus ernst gemeint. Seit der sogenannten deutschen Wiedervereinigung wurden mehr als 140 Menschen von Nazis ermordet. Allein im August dieses Jahres starben in Deutschland drei Personen.

Ein „Nationales Jugendzentrum“ ist Ausgangs- und Rückzugspunkt für militante Angriffe auf mißliebige Menschen, bietet Infrastruktur für Nazi-Konzerte und Schulungsveranstaltungen und stellt zudem eine optimale Grundlage für die Rekrutierung junger Nachwuchs-Nazis dar. Doch auch ohne eigene Heimstätte finden die Jugendlichen mit NS-Affinität in etlichen Jugendfreizeiteinrichtungen Unterschlupf und bei so manchem Sozialarbeiter ein offenes Ohr. Derartige „akzeptierende Jugendarbeit“ löst keine Probleme. Sie ist das Problem!

Nur die Rute für die Nazis – Der Gesamtscheiße entgegentreten!

Statt also Nazis zu hofieren, ist es wichtig, nicht-rechte und alternative Jugendliche und Jugend-Kulturen zu unterstützen. Jedes unabhängige und linke Jugendzentrum, jedes besetzte Haus und jedes antifaschistische Festival stellen einen Stolperstein für die Nazis dar. Und wir werden den Neonazis nicht nur am 6. Dezember Steine in den Weg legen!

Unser Protest richtet sich jedoch nicht ausschließlich gegen eine kleine Gruppe von Nazis. Wir wollen nicht ausblenden, dass ein großer Teil der weißen deutschen Bevölkerung rassistische Ansichten vertritt. Wir vergessen nicht, dass den rassistischen Pogromen gegen Flüchtlingsheime Anfang der 1990er in Rostock-Lichtenhagen, Mannheim-Schönau und anderswo, eine beispiellose rassistische Debatte in der bundesdeutschen Politik über alle Parteigrenzen hinweg vorauseilte. Wir greifen ein, wenn Politiker_innen die Deutsche Abschiebepolitik verteidigen und daraufhin Migrantinnen und Migranten auf offener Straße gewaltsam attackiert werden. Wir ignorieren niemals, wenn in Literatur und Geschichtsschreibung antisemitische Klischees bedient werden, um die Shoa zu relativieren, gegen den Staat Israel zu hetzen und Jüdinnen und Juden in Deutschland anzugreifen. Wir sehen durchaus Zusammenhänge, wenn große Zeitungen gegen HartzIV-Empfänger_innen pöbeln und anschließend Obdachlose durch die Straßen deutscher Kleinstädte gejagt werden. Deshalb müssen wir an jedem Tag im Jahr rassistischen Angriffen, homophoben Sprüchen, antisemitischen Schmierereien, dem schwarz-rot-goldenen Fahnen-Hype und der bundesdeutschen Abschiebepraxis entgegen treten! Es geht gegen die ununterbrochene Diffamierung von HartzIV-Empfänger_innen in den Medien, revisionistische Homann-Reden, beleidigende Staatsbürgerschaftstests und rassistisch-motivierte Polizeikontrollen! Uns nerven deutsche Opfermythen, die Hetze gegen linksradikale Strukturen, antisemitische Fußballfans und sexistische Discoprolls! Auf datensammelwütige Schlapphüte, kriegsbegeisterte Außenminister und Guido-Knopp-Geschichtsverdrehung werden wir angemessen antworten. Mit unserem Widerstand gegen Nazis und andere regressive Idiot_innen wollen wir auch ein Zeichen gegen den alltäglichen Wahnsinn setzen. Wir treten für eine emanzipatorische Transformation der gesellschaftlichen Verhältnisse ein – gegen rassistische Hetze und kapitalistische Ausbeutung.

Wir, antifaschistische und linke Gruppen, rufen dazu auf, den Naziaufmarsch am 6. Dezember 2008 in Berlin zu verhindern! Durch zahlreichen, vielfältigen und lautstarken Protest wollen wir gemeinsam die Route der Nazis blockieren. Machen wir den neonazistischen Ausflug zu einem Desaster!

Achtet auf Ankündigungen!

Infos unter antifa-dezember.de.vu

Naziaufmarsch am 6. Dezember in Berlin? Sabotieren! Blockieren! Verhindern!

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