Am 23.8.2008 brüllt ein etwa 50-jähriger Mann einen Jugendlichen in der Lily-Braun-Straße an, dieser möge einen Konflikt mit ihm austragen. Als der Jugendliche nicht reagiert, ruft er ihm „Kein Wunder, dass Deutschland am Arsch ist!“ und „Komm doch her, du Judensau!“ hinterher.
Chronik Hellersdorf & Marzahn - Updates
Samstag, 23. August 2008
Quelle/n: Augenzeug_innenbericht |
Freitag, 22. August 2008
Am Abend des des 22.8.2008 äußert ein junger Mann in der U-Bahnlinie U5, dass das „Problem“ der „vielen Türken“ wie mit „den Juden“ zu lösen sei. Als sich andere Fahrgäste darüber empören, werden diese von dem jungen Mann und seinen Begleiter_innen rassistisch angepöbelt. Die intervenierende Gruppe verlässt am nächsten Bahnhof die Bahn, um einer körperlichen Auseinandersetzung aus dem Weg zu gehen. Quelle/n: Augenzeug_innenbericht |
Montag, 18. August 2008
Am 18.8.2008 werden in der Mehrower Allee NPD-Flugblätter zur Kampagne gegen „Spritzenautomaten“ gesteckt. Quelle/n: Polis* |
Samstag, 16. August 2008
Am 16.8.2008 treffen sich nach einem Bericht Gesine Hennrichs Mitglieder des „Ring Nationaler Frauen“ und der „Freien Kräfte Berlin“ um einen Spielplatz in der Jan-Petermann-Straße (sic! gemeint is vermutlich die Jan-Petersen-Straße) zu reinigen. Bei der Aktionen werden angeblich auch Flugblätter an Passant_innen verteilt. Quelle/n: Homepage eines NPD-Kreisverbandes |
Sonntag, 10. August 2008
Am 10.8.2008 halten sich vier NPD-Aktivist_innen, darunter Gesine Hennrich, nahe dem Auftaktort eines Mahngangs in Gedenken an den den vier Tage zuvor Ermordeten auf, um zu provozieren und das Geschehen zu beobachten. Zu Beginn des anschließenden Mahngangs zum Tatort versuchen sie mit einer Digitalkamera Fotos zu machen. Erst auf Drängen einiger Veranstaltungsteilnehmer_innen werden die Nazis von der Polizei weggeschickt. Quelle/n: Augenzeug_innenbericht |
Samstag, 9. August 2008
Am 9.8.2008 werden drei Besucher_innen des „Resist to Exist“-Festivals in Marzahn gegen 3 Uhr im Fußgängertunnel des S-Bahnhofs Mehrower Allee von einer etwa zehnköpfigen Gruppe angegriffen, die sich im Anschluss in Richtung Großsiedlung zerstreut. Einer der Attackierten erleidet einen Nasenbeinbruch, einem anderen wird der Ohrtunnel herausgeschlagen und eine Platzwunde an der Lippe zugefügt. Die meisten der Angreifer tragen Handschuhe und sind zum Großteil schwarz gekleidet. Quelle/n: Augenzeug_innenbericht |
Mittwoch, 6. August 2008
Am 6.8.2008 ruft der 35-jährige Tino W. den Polizeinotruf an, stellt sich namentlich vor und denunziert einen Händler unverzollter Zigaretten, der vor einer Kaufhalle in der Marchwitzastraße steht. Er fügt an, dass er „keine Angst vor dem“ habe. Keine fünf Minuten später ruft er erneut dort an: „Regelt ihr das oder muss ich das selbst erledigen?“ und bietet an, den Händler fest zu halten. „Na, dann tun Sie das.“ heißt es auf der anderen Seite. Kurz darauf schubst Tino W. den 20-jährigen Nguyen Tan Dung in ein Gebüsch und fügt ihm eine 12 cm tiefe Stichwunde in die Brust zu, an der er wenige Stunden später verstirbt. Tino W. unternimmt hilflose Rettungsversuche und flüchtet. Bei der Obduktion am Nachmittag werden keine Abwehrverletzungen festgestellt. Nguyen Tan Dung war vor seiner Ausreise aus Vietnam Arbeit versprochen worden, die er jedoch nicht erhielt. Sein in Vietnam lebender Vater und seine Geschwister waren abhängig vom Geld, das er in Deutschland verdiente. Bereits auf seiner Flucht bekennt Tino W. sich gegenüber der Polizei zu seiner Tat und erhebt dem Opfer gegenüber Vorwürfe, es hätte ihn angegriffen und er habe in Notwehr gehandelt. Mehrfach ruft er bei der Polizei an bis er in seiner Wohnung festgenommen wird. Dabei ist er offenkundig stark verwirrt. In späteren Vernehmungen unterbreitet er der Polizei das Angebot, sie solle sich bei Problemen mit Vietnamesen an ihn wenden, er sei „UN-Sonderbeauftragter“. Nach Presseberichten hatte er Bekannten gegenüber bereits zu früheren Zeitpunkten angekündigt, selbst etwas gegen vietnamesische Zigarettenhändler zu unternehmen, wenn die Behörden das nicht täten. In einem späteren Gespräch mit einer Gutachterin gibt er an, die „schlechten Zigaretten“, die „die Vietnamesen“ verkaufen, seien verantwortlich für das Asthma einer Freundin. Am Abend vor der tödlichen Messerattacke habe er dem Händler gegenüber bereits einen Platzverweis erteilt. Wir gehen nicht davon aus, dass beim Täter eine rassistische Einstellung vorliegt. Tino W. hatte vor der Tat Bekannten gegenüber beklagt, mehrfach wegen seiner schwarzen Freundin diskriminiert worden zu sein. Er berichtete auch während seiner Zeit in einem Wohnheim andere Obdachlose vor „ausländischen Jugendlichen“ beschützt zu haben. Offenbar leidet der Täter an einer paranoiden Schizophrenie, die 1995 zum erstem Mal diagnostiziert wurde. Da das Schöffengericht, das die Tötung im frühen Sommer 2009 verhandelte, in seinem Urteil davon ausgeht, dass er zum Tatzeitpunkt eine Psychose hatte, wird der Täter wegen Schuldunfähigkeit freigesprochen und seine Unterbringung in einer psychiatrischen Einrichtung angeordnet. Dennoch nehmen wir dieses Vorkommnis in diese Chronik auf. Er reiht sich in eine Reihe von Angriffen auf Menschen mit (vermeintlicher) vietnamesischer Herkunft im Jahr 2008 (siehe 16. Februar, 20. Mai, 17. Juli). Verschiedene Momente der Geschehnisse treffen auch auf andere Ereignisse zu, die uns dazu bewegten dieses nicht unerwähnt zu lassen, eine Leerstelle zu hinterlassen: Nguyen Tan Dungs Situation war eine gesellschaftlich marginale. Zwar entspricht der Lebenswandel des Täters nicht dem Bild vom sauberen Deutschen. Objektiv ist es nun einmal eben so, dass ein Weißer deutscher Staatsangehörigkeit einem Migranten, dem unter anderem das Recht auf eine legale Arbeit verwehrt wird, meint vorgeben zu können was dieser zu tun und lassen habe. In einer Pressemitteilung vom Oktober 2008 feiert die Berliner Polizei die Denunziation dreier illegaler Zigarettenhändler in Marzahn, von denen zwei anschließend der Ausländerbehörde übergeben werden, als Zivilcourage ab. National konnotierte Qualitätsurteile über Waren, in diesem Fall die Zigaretten vietnamesischer Verkäufer, sind gesellschaftlicher Mainstream und gehören einer Kritik eben der Nation und des Wertes unterzogen. Auffallend war die Dankbarkeit mit der die größere Öffentlichkeit die Spekulationen über den psychischen Zustand des Täters aufgenommen hat und ein mögliches rassistisches Tatmotiv im direkten Anschluss an den Mord beiseite gewischt wurde. Dabei sollte es im Bezirk Marzahn-Hellersdorf eine Sensibilität bei einem solchen Vorkommnis geben. Im März 1992 war Nguyen Van Tu vor einer Kaufhalle in Marzahn erstochen worden, im Januar 1999 war ein Vietnamese von vier Neonazis durch eine Hellersdorfer Kaufhalle gejagt und mit einem Messerstich in die Lunge lebensgefährlich verletzt worden. Unverständnis darüber bezeugen auch die Initiatoren des vier Tage später stattfindenden Gedenkens in ihrem Redebeitrag:
Quelle/n: Augenzeug_innenberichte, Berliner Morgenpost online am 6.8.2008, Berlin Online am 6.8.2008, Berliner Kurier vom 7.8.2008, Pressemitteilung der Berliner Polzei vom 10.10.2008, Jungle World #33/2008, Antifaschistisches Infoblatt #47, und andere |
Sonntag, 3. August 2008
Am späten Abend des 3.8.2008 rufen vier Männer und eine Frau in der U-Bahnlinie U5 rassistische und antisemitische Parolen, darunter „Von Istanbul bis Ankara - Bomben für die PKK“ und „Von Israel nach Ausschwitz bauen wir ne Bahn“. Unter anderem tragen sie T-Shirts mit den Aufschriften „Mein Leben für Odin“ und „Deutsch National Stolz“. Sie bedrohen vermeintlich nicht-deutsche Fahrgäste und fordern diese auf sich mit ihnen zu schlagen. Quelle/n: Augenzeug_innenbericht |